Entstehung und Entwicklung der waffenlosen Kampfkünste
Die waffenlosen Kampfkünste sind so alt wie die Menschheit. Ihre Entstehung aus dem menschlichen Selbsterhaltungs- und Selbstverteidigungstrieb wurde durch das gesellschaftliche Umfeld, die Lebensweise sowie die Statur und die Konstitution der Menschen geprägt. Auf Grund dieser Einflüsse entwickelten sich eine Vielzahl verschiedener Kampfsysteme mit jeweils typischen Bewegungsprinzipien und Handlungsweisen.Wo genau der Ursprung der asiatischen Kampfkünste liegt, wird wohl nie mit Sicherheit festgestellt werden können, da keinerlei Aufzeichnungen über die Anfänge ihrer Entstehung existieren. Es ist aber offensichtlich, dass der Buddhismus als einer ihrer Wegbegleiter zu sehen ist, Da sich die buddhistischen Mönche mit den Kampfkünsten beschäftigten, waren sie maßgeblich an ihrer Entwicklung beteiligt und verbreiteten sie mit ihrer Religion in ganz Asien. Anregungen für die Konzeption mancher Abwehr- und Angriffsbewegungen fanden sie in den Beobachtungen, die sie in der Natur machten. Bewegungen und Verhaltensweisen von Tieren oder Pflanzen wurden auf den menschlichen Körper übertragen und in Verteidigungspraktiken umgesetzt. Einige Systeme reiften zu effektiven und gefürchteten Künsten, die sogar für kriegerische Zwecke genutzt wurden.
Im historischen Korea genossen die Krieger, die in den waffenlosen Kampfkünsten ausgebildet waren, ein hohes Ansehen. Um in Armee und Staat eine höhere Position bekleiden zu können, rnußte unbedingt diese Form des Kampfes beherrscht werden, Der Einfluss religiöser und philosophischer Ströme, wie beispielsweise der des San (jap. Zen) und des Konfuzianismus, prägte Eigenschaften wie Gerechtigkeit, Mut, Güte, Höflichkeit, Wahrhaftigkeit, Ehre und Treue, die dem Idealbild des Kriegers zugeordnet wurden und mit der Philosophie der Kampfkünste verschmolzen.
Im Laufe der Entwicklung rückte in einigen Stilrichtungen der meditative Aspekt in den Vordergrund. Harte Kampftechniken wurden zu weichen, ästhetischen Bewegungen geformt. Ein anderer Bewegungsrhythmus in Verbindung mit einer ausgeprägten und bewussten Atmung diente als dynamische Konzentrationsübung. Der harmonische Einklang von einem gesunden Körper und einem reinen Geist wurde zum Ziel dieser Kampfkünste. Die Effektivität bezüglich des Kampfes blieb bei einigen Stilrichtungen erhalten. Bei anderen trat sie in den Hintergrund oder verschwand letztendlich. Im Laufe der Geschichte verloren in Korea die Stilrichtungen, auf denen das heutige Taekwondo basiert, ihre bis dahin große Bedeutung. Während der japanischen Besatzung von 1909 bis 1945 wurde die Ausübung der koreanischen Kampfsysteme gänzlich verboten. Als sie danach wieder auflebten, entstanden Bemühungen der größten und wichtigsten Schulen, sich zu vereinigen. Es dauerte noch viele Jahre, bis ein einheitliches System geformt war und der Name Taekwondo von allen Schulen akzeptiert wurde. Dieser Name umschreibt die wesentlichen Merkmale der koreanischen Kampfkunst. Das Wort Tae bedeutet Fuß und bezeichnet alle Techniken und Handlungsformen mit den Füßen. Kwon steht für Faust und damit stellvertretend für alle Handtechniken. Der philosophische Hintergrund des Taekwondo wird in einem kleinen Wort mit großer Bedeutung erfasst. Mit der Bezeichnung Do, der Weg, erhält das Kampfsystem die Wertigkeit einer Kampfkunst.
Der Kampf ist nach wie vor die Essenz der von den alten Lehren beeinflussten Kunst. Jedoch soll nicht ausschließlich der körperliche Kampf im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der innere Kampf - der Kampf gegen sich selbst. Die harte körperliche Schulung wird zur sichtbaren Hülle des Taekwondo. Im Kern ist die Bildung eines positiven Charakters das primäre Ziel zum Zwecke eines friedlichen und harmonischen Lebens im Einklang mit sich selbst und seinen Mitmenschen, aber auch mit der Natur.
Mit der Gründung der World Taekwondo Federation (WTF) im Jahre 1973 erfuhr die koreanische Kampfkunst ihren großen Aufschwung. Das Ziel des Welt Taekwondo Verbandes, der seinen Sitz im Kukkiwon in Seoul/Südkorea hat, ist die weltweite Verbreitung des neuen, bewegungstechnisch ausgereiften Taekwondo. Aus der alten Kampfkunst kristallisierte sich der neue Aspekt eines hoch qualifizierten Sportes heraus. Die Einführung einer durchdachten Wettkampfregelung in Verbindung mit einer zweckmäßigen Schutzausrüstung, die sich stetig weiterentwickelte, macht einen relativ wirklichkeitsnahen Vollkontaktkampf möglich. Die unermüdliche Arbeit der WTF, insbesondere ihres Präsidenten Herrn Dr. Kim Un Yong, gipfelt in der Anerkennung des Taekwondo als olympischer Disziplin. Von den meisten seiner Anhänger wird Taekwondo als Breitensport zur Verbesserung und zum Erhalt des allgemeinen Wohlbefindens betrieben. Neben der körperlichen Fitness, der Steigerung des Selbstwertgefühls, der Selbstbestätigung und des Selbstvertrauens sind die Vitalisierung und Aktivierung der Lebensfreude herausragende Kriterien. Nicht zu vergessen ist der Ausgleich zum Alltagsleben, der mit Taekwondo-Training erreicht wird. Taekwondo, wie wir es heute kennen, ist im Laufe seiner langen Entwicklung zu einer breit gefächerten Kampfkunst gewachsen, die ihren ursprünglichen Sinn und Zweck nicht verloren hat - die Selbstverteidigung. Wie nützlich und wirkungsvoll Taekwondo sein kann, liegt ausschließlich an jedem Trainierenden selbst. Nur derjenige, der versucht, die Kampfkunst Taekwondo in ihrer Gesamtheit zu verstehen und sie mit der unbedingt erforderlichen Ernsthaftigkeit trainiert, wird stets einen Nutzen aus ihr ziehen.